Lilly Jordans

Es war ihr ein großes Bedürfnis etwas Gutes zu tun.

Würdigung und Darstellung des Lebens von Frau Lilly Jordans

Sehr geehrte Damen und Herren!

Frau Lilly Jordans war ein Mensch wie Du und ich. Aber sie war auch ein besonderer Mensch, der andere Menschen geprägt hat und der in Erinnerung bleibt. Frau Jordans steht heute im Mittelpunkt. Viele von uns haben sie gut oder flüchtig gekannt, viele kennen sie nur vom Hörensagen. Ich möchte Ihnen einiges über den Menschen Lilly Jordans sagen, weiß aber sehr wohl, dass jeder ein eigenes Bild von dieser Frau hat. Ich hatte zu Frau Jordans einen sehr guten persönlichen Kontakt, der von gegenseitiger Achtung und Sympathie geprägt war. Wir haben uns oft über Persönliches, Menschliches und Allgemeines unterhalten. Für mich war es interessant und ein Gewinn mit Frau Jordans zu sprechen.

In den Jahren 2000 bis 2002 habe ich mit ihrem Wissen und Einverständnis ihre lange und interessante Lebensgeschichte mit für sie wichtigen Ereignissen aufgezeichnet.

Und nun versetzen Sie sich in das Jahr 1915 dem Geburtsjahr von Lilly Jordans, die eigentlich auf den Namen Karoline getauft wurde. Es war mitten im Ersten Weltkrieg und Herbertingen war noch ausschließlich landwirtschaftlich geprägt. Ihr Vater Fidel Reutter bewirtschaftete den Hof in der Klostergasse 3, der heute von den Eheleuten Maria und Hans Friedmann mit ihrem Sohn Werner umgetrieben wird.

Der Bauer Fidel Reutter war ein angesehener Mann, viele Jahre lang Waldmeister der Gemeinde, Bienenzüchter und sehr belesen. Er hat einiges aus seinem persönlichen Leben und dem Gemeindeleben aufgezeichnet. Seine tägliche Arbeit als Waldmeister hat er schriftlich dokumentiert. Beides sind gute Beiträge zur Ortschronik. Die Mutter von Lilly Jordans war eine geborene Gaißmaier vom Stettberg. Lilly war die jüngste von 8 Kindern, alles Mädchen. 4 Kinder waren kurz nach der Geburt verstorben. Sie können sich sicher vorstellen was diese Frau geleistet hat. 12 Kinder geboren, 8 aufgezogen, Sorge für den Haushalt, Hilfe auf dem Feld und im Stall.

Das Aufwachsen in der Familie und das Leben in und mit ihr haben Frau Jordans stark bewegt. Ihre Kindheit und Jugend, die Familie und das Dorf beschäftigten sie ihr Leben lang. Neben den vielen positiven Seiten schilderte sie mir auch manche Schattenseite. Zu ihrem Vater hatte sie ein sehr gutes und liebevolles Verhältnis. Er nahm sie oft mit in den Wald oder zu den Bienenvölkern. Ihre Mutter hat sie innig geliebt und hielt sie für eine großartige Mutter. "Sie brachte Frieden in die Familie." Die Kindheits- und Jugenderinnerungen von Lilly Jordans sind voll von Geschichten, Menschen, Tieren und Ereignissen. All diese tiefen und prägenden Eindrücke waren es, die ihr das Dorf Herbertingen zur Heimat machten.

Als die älteste Tochter der Familie heiratete, wollte sie mit ihrem Mann den Hof übernehmen. 1925 wurde der Hof übergeben. Die Eltern zogen mit den 4 noch daheim gebliebenen Töchtern in den Speicher in der Nähe des Hofes. Dort ging es recht eng zu.

Die Schwester Hannel lernte in Mengen den Beruf der Schneiderin. Sie ging bald nach der Gesellenprüfung 1926 nach Köln weil sie diese „Heilige Stadt“ faszinierte. Bereits 1929 gründete sie dort mit 21 Jahren ein Schneidergeschäft. Es ging gut. Lilly lernte von 1930 – 1933 ebenfalls Schneiderin und zwar bei der Kostümschneiderin Idda Baur in Mengen. Morgens um 6 Uhr ging der Zug nach Mengen. Abends kam sie um 20.30 Uhr nach Hause. Gleich nach der Lehre also mit 17 Jahren ging auch Lilly nach Köln und arbeitete im Geschäft ihrer Schwester. Vorher war auch die Schwester Agathe dorthin gegangen.

Lilly besuchte die Modefachschule in Köln und zusätzlich Fortbildungskurse. Sie baute eine Mantelabteilung auf. Nach wenigen Jahren hatte sich die Schneiderei zu einem Atelier für die gehobene Kundschaft Kölns entwickelt.

Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 war Köln stark bombengefährdet. Hannel ging nach Herbertingen und fing dort ein Schneidergeschäft im Haus ihrer Schwester, dem Elektrogeschäft Anselm Buck an. Die beiden Schwestern Agathe und Lilly blieben trotz Krieg in Köln. Jedoch – diese große und schöne Stadt wurde durch fürchterliche Bombenangriffe fast völlig zerstört. Agathe kam dabei im November 1944 in einem Luftschutzkeller um. Auch das Geschäft war nur noch Schutt und Asche. Der Tod, das Bergen und die Beerdigung ihrer Schwester waren für Lilly Jordans ein schweres und traumatisches Erlebnis. Sie hatte in Köln alles verloren. Ausgehungert, krank und ohne Habseligkeiten, die auf einem Bahnhof gestohlen worden waren, fuhr Lilly kurz vor Weihnachten 1944 nach Herbertingen. Sie arbeitete dort im schwesterlichen Geschäft und half ihren Angehörigen soweit es ging.

Jedoch – bald nach dem Ende des katastrophalen Krieges ging sie im Frühsommer 1945 wieder nach Köln. Trotz aller Rückschläge gründete die 30-jährige Frau von neuem einen Betrieb nämlich eine Damenschneiderei. Sie war dabei erneut dank ihres Könnens und ihrem Mut erfolgreich. Es gelang ihr mit hohem Qualitätsstandard wieder vornehme und wohlhabende Kundschaft zu gewinnen. Damit konnte sie sich trotz der stark aufkommenden Konfektionsware gut behaupten.

1949 lernte sie durch ihre Kundschaft einen der Direktoren der Handelsgruppe Kaufhof, Herrn Rolf Jordans, kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Im Januar 1950 heirateten sie. Die Ehe war glücklich. Frau Jordans schildert ihren Mann als vornehm, großzügig, taktvoll und menschlich groß. Sie wohnten in einer schönen, großen Stadtvilla mit herrlichem Garten. Ihre Liebe und Leidenschaft für Pferde und den Reitsport konnte sie in dieser Zeit besonders intensiv pflegen. Bis zu ihrem Tod gab es in ihrem Haus ein liebevoll gestaltetes Reiterstüble mit vielen Erinnerungsstücken.

Ihre Schwester Hannel übernahm 1950 das Atelier weil Lilly in ihrer neuen Stellung kein Geschäft betreiben sollte. 1952 vermittelte Lilly die Verlagerung des Ateliers, an dem sie weiterhin mehrheitlich beteiligt war, in eine sehr gute Lage im Zentrum Kölns. Die Schneiderei Reutter war allererste Adresse.

Als die Eheleute Jordans 1963 von einer Brasilienreise nach Köln zurück kamen starb Rolf Jordans ohne Erkrankung plötzlich an einem Herzinfarkt.

Anfang der Siebzigerjahre wurde das Schneidereigeschäft altershalber aufgegeben. Weil Lilly wieder nach Süddeutschland zurück wollte, kaufte sie 1972 ein Haus in Inzigkofen bei Sigmarigen. Ihrer Schwester Hannel, die mitzog, gefiel es in Inzigkofen gar nicht. Etwa 1976 kaufte Lilly Jordans ein schönes Haus in Überlingen in herrlicher Lage mit Blick auf den Bodensee. Dort lebte sie bis zu ihrem Tod im Jahre 2007. Hannel war bereits 1996 gestorben.

Frau Jordans war bis zu ihrem Tod geistig sehr rege und körperlich altersentsprechend noch gut beieinander. Sie war vielseitig interessiert und beschäftigte sich zeitlebens mit Natur, Kunst, Menschen, Schicksalen und mit der allgemeinen Situation in Politik und Gesellschaft. Sie war eine ausgesprochene und fröhliche Garten- und Naturliebhaberin, kreativ, künstlerisch begabt und hatte einen außergewöhnlichen Kunstsachverstand. Für die Entwicklungen in ihrem Heimatdorf Herbertingen hatte sie besonderes Interesse und fühlte sich mit ihm eng verbunden. Sie erhielt von der Gemeinde viele Jahre lang das Mitteilungsblatt und las es auch. Ihre Verwandten aus Herbertingen aber auch viele Menschen ihrer Heimat pflegten den Kontakt zu ihr.

Frau Jordans stiftete ihrer Heimatgemeinde den künstlerisch hoch stehenden Kreuzweg von Gerold Jäggle und den Brunnen "Wassertor" beim Seniorenzentrum von Axel Otterbach.

2006 beschloss der Gemeinderat in Absprache mit der Schule die Herbertinger Schule als Lilly-Jordans-Schule zu benennen. Sie fühlte sich dadurch sehr geehrt. Sie hat Wissen, Bildung und Erziehung in dieser Schule erfahren. Zu ihrer Schulzeit gab es nur den Bau von 1900. Dieser war damals modern und außerordentlich fortschrittlich und ist im übrigen heute noch imposant.

Die meisten von uns können sich noch an die Feier zur Benennung der Schule erinnern bei der Frau Jordans selber anwesend sein konnte. Es war ein buntes und fröhliches Fest bei dem sie richtig auflebte.

Frau Jordans lebte bescheiden und hat ihr Vermögen zusammen gehalten. Es war ihr ein großes Bedürfnis etwas Gutes zu tun. Sie hatte Ideale. Sie wollte zum Nutzen der Allgemeinheit beitragen. Ihre Entscheidung Ihr Vermögen nach ihrem Tod in eine gemeinnützige Stiftung einzubringen entsprach ihrem Lebensideal und Menschenbild.

Für ihre Hochherzigkeit danken wir. Wir verpflichten uns Ihr Erbe in ihrem Sinn und Auftrag gut zu verwalten.

Weitere Informationen

Brief zu Lilly Jordans Leben als PDF-Datei.

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